Montag, 29. August 2011
Zwei Evakuierungen und eine Menge Sand
Hallo Ihr Lieben,

wie einige sicher mitbekommen haben, gab es in der letzten Woche zwei Naturereignisse, die den Menschen an der US Ostküste ganz schöne Schrecken bereitet haben. Während sich die Menschen auf den Hurrikane Irene vorbereiten konnten, bebte die Erde am Dienstag dann doch überraschend. Anja und ich hatten uns für das Museum für die amerikanische Geschichte entschieden.

Wir waren vielleicht eine halbe Stunde im Gebäude und erreichten gerade den Abschnitt über den 2. Weltkrieg als die gesamte Ausstellung wackelte. Erst dachten wir, dass es Teil des Museums wäre und ein Bombeneinschlag simuliert würde. Aber da die Ausstellwände fast umfielen, was sie nicht taten, wussten wir, dass es etwas Ernsteres war. Wir hatten die schlimmsten Befürchtungen und dachten an einen U-Bahnunfall und sogar einen Anschlag. Mann weiß ja nie. Alle Besucher schauten sich fragend an, da niemand mit einem Erdbeben rechnen würde. Langsam bewegte sich der Tross Richtung Ausgang. Als die Sicherheitsbeamten des Museum auftauchten und alle Leute aus dem Gebäude haben wollte, machte sich eine kleine Panik breit. Der Großteil der Besucher blieb aber ruhig und bewegte sich langsam nach draußen. Dort versammelten sich die Menschenmengen vor dem Museum auf dem Grünstreifen der Washingtoner Mall.

Anja und ich blickten nach oben zum Gebäude und konnten weder einen Schaden noch irgendeinen Brand entdecken, was uns sehr beruhigte. Als wir sahen, dass die anderen Museen evakuiert wurden, wussten wir, dass die anderen es auch gefühlt hatten. Ein Polizeihubschrauber war im Anflug und kreiste um das Washington Monument. Die Behörden hatten wohl Angst, dass es Risse hatte oder im schlimmsten Fall umstürzen könnte. Mittlerweile hatte es sich bis zu uns herum gesprochen, dass es ein Erdbeben der Stärke 5.8 im Nachbarstaat Virginia gegeben hatte.

Eigentlich wollten wir unseren Museumstag fortsetzen, sahen aber keine Chance, da sämtliche Museen für den Tag geschlossen schienen. Das war etwas enttäuschend und wir mussten uns etwas Neues einfallen lassen. Wir entschieden uns, in Richtung Georgetown zu laufen, dem Stadtteil in dem sich auch die berühmte Georgetown Universität befindet. Auf den Strassen herrschte das volle Chaos. Überall checkten die Ingenieure nach Schäden in den jeweiligen Gebäuden. Auf dem Weißen Haus liefen die Angestellten auf dem Dach herum und checkten nach Löchern.

Im Laufe des Nachmittages entspannte sich die Lage und es wurde Entwarnung gegeben. Die Schäden an den Gebäuden waren minimal. Die Lauferei hatte uns ein wenig durstig gemacht und so gingen wir in ein Irish Pub und erfrischten uns erst einmal. Im Fernsehen lief die Berichterstattung und wir waren von Bildern überwältigt. Es war spannend, wie aus Mücken Elefanten gemacht wurden. Uns kamen die Bilder aus Christchurch und Japan in den Kopf und wir mussten an die ganzen Opfer und ihre Geschichten denken. Dagegen war das Erdbeben, dass wir erlebten zwar beunruhigend aber harmlos.

Am Abend erreichten wir Georgetown und schauten uns diesen schönen Stadtteil an. Wir stärkten uns mit ein paar Burgern, bevor wir weiter schauten. Während ich einen langweiligen Cheesburger bestellte, freute sich Anja über ihren German Burger mit Sauerkraut. Am Ende des Tages sahen wir die George Washington Kathedrale, von der eine Spitze abgebrochen und zu Boden gefallen war. In Christchurch war die ganze Kathedrale zusammen gebrochen und hatte 61 Menschen unter sich begraben. Es war ein Sinnbild zum Schluss des Tages, dass uns bestätigte, wie harmlos das Erdbeben in Washington doch war und wie viel Glück wir doch hatten.

Am Mittwoch verließen wir Washington und fuhren in Richtung mittlerer Westen. Wir wollten Chicago am Wochenende erreichen und hatten vier Tage Zeit für eine Strecke von ungefähr 15 Stunden. Wir teilten die Strecke in zwei Teile ein. Unser erster Stopp war der Dillon State Park in Ohio. Wir entschieden uns für diesen Campingplatz aus einfachen Gründen. Er lag an einem See, war ungefähr auf der Hälfte der Strecke und die Bilder im Internet sahen recht gut aus. Da wir mitten in der Woche ankamen, war auf dem Platz nichts los. Nachdem wir unser Zelt aufgebaut hatten, entspannten wir unsere Glieder nach den 7 Stunden Fahrt mit Basketball spielen. Anja wird immer besser, so dass wir das Training ein wenig intensivieren konnten.

Wir genossen den Dillon State Park, da er absolut ruhig war. Am Abend begannen die Grillen einen Lärm zu verursachen, der an unsere Nacht in Downtown Manhatten erinnerte. So hörte sich pure Natur an. Gegen 2 Uhr wurde wir von Blitzen und einem aufziehenden Donnern geweckt. Wir verharrten eine Weile in unserem Zelt und lauschten dem Geschehen. Als das Zentrum des Gewitters uns gegen 2:30 Uhr erreichte, es fürchterlich regnete und die Einschläge der Blitze immer näher kamen, entschieden wir zum zweiten Mal in dieser Woche zu evakuieren. Wir retteten uns ins Auto und hofften, dass die Blitze nicht in der Nähe einschlagen würden. Das Schlimmste an diesem Gewitter war nicht der Donner oder die Blitze, sondern die Gedanke „Was passieren könnte?“. Gegen 3:30 hatte sich das Wetter ein wenig beruhigt und wir entschieden uns, zurück ins Zelt zu gehen. Allerdings drehte das Gewitter nur eine Runde und kehrte wieder zurück. Wir ließen uns davon aber nicht mehr stören und versuchten irgendwie zu schlafen. Die Gedanken, dass der Blitz irgendwo in der Nähe einschlagen würde, verdrängten wir einfach. Das war auch gut so, denn das Gewitter zog letztendlich erst am Morgen nach 8 Uhr weiter. Dann hörte auch der Regen auf und es entwickelte sich ein so schöner Tag, dessen Wetter so unschuldig war, als ob es nie gewittert hätte.

Wir verbrachten den Freitag damit, uns ein wenig den Park anzuschauen. Wir fuhren zum See, der in einer ruhigen Kulisse lag. Ein paar Rehe sprangen über die Felder und Fischreiher und andere Wasservögel versuchten sich silberne kleine Fische zu fangen. Wir spielten ein wenig Football und genossen die Sonne. Ich sprang in den See, um mich ein wenig abzukühlen. Am Abend grillten wir nach langer Zeit mal wieder Camping-style. Wir hatten uns einen kleinen Grill für 8 Dollar im Supermarkt gekauft, der schon mit der Kohle geliefert wurde. Besonders die Maiskolben schmeckten uns sehr.

Nachdem wir uns am Samstag von lustig aussehenden Raupen verabschiedeten, die wir beim Zeltabbau entdeckten, fuhren wir weiter. Wir erreichten am Abend den Lake Michigan. Ich hatte mich erinnert, dass ich während meiner Chicago Tage vor 12 Jahren schon einmal auf der Michigan Seite dieses riesigen Sees war und wir tolle Sanddünen besucht hatten. Im Internet fanden wir den Campingplatz in den Warren Dünen und buchten einen Platz vor. Wir hatten Glück, denn wir bekamen den letzten freien Platz. Nun ja, ob das wirklich Glück war, wussten wir nicht genau, denn das bedeutete, dass der Campingplatz voller Menschen war.

Unsere Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Der Campingplatz floss fast über vor Leuten, aber wir bekamen einen schönen Platz in einer ruhigen Ecke. Das schöne an dem Campingplatz war allerdings, dass die Sonne über dem See unterging. Diese Chance ließen wir uns natürlich nicht nehmen und schauten uns den Sonnenuntergang an, nachdem wir unser Zelt aufgebaut hatten. Ein bisschen hatte ich gehofft, schon ein paar Lichter von Chicago zu sehen, was auf der anderen Seite des Sees lag. Allein die schiere Größe des Gewässers und das diesige Wetter verhinderten meinen Wunsch. Dafür wurde die Sonnen in ein pur-pur rotes Licht verfärbt.

Am Samstag legten wir noch einmal einen entspannten Tag ein. Wir knallten uns an den Strand des Michigan Sees, der uns an die Ostsee erinnerte. Im Hintergrund türmten sich riesige Sanddünen auf. Allerdings erinnerte uns das Strandleben an die Freibäder zu DDR-Zeiten, da unglaublich viel russisch gesprochen wurde. Anja und ich machten am Abend einen Spaziergang durch den Wald und die Dünen um den Campingplatz. Der Naturpfad war wunderschön und ließ uns unsere Umwelt vergessen. Wir, besser gesagt ich musste ganz schön schwitzen, als wir die riesigen Dünenhügel erklommen. Uns ging es richtig gut. Wir waren rechtzeitig wieder am See, um den Sonnenuntergang zu schauen. Allerdings hatte ein frischer Wind ganz schön aufgedreht, der über den See zum Ufer blies. Zurück auf dem Campingplatz machten wir uns ein schönes Lagerfeuer, um uns wieder aufzuwärmen.

Heute, am Sonntag, war es dann endlich soweit. Wir erreichten meine alte Wahlheimat Chicago. Wir hatten Glück, denn wir bekamen ein halbwegs günstiges Hotel in der Innenstadt. Damit kann die Geburtstagswoche beginnen. Anja und ich sind gleich mal in die Stadt gegangen, um ein bisschen Chicagoer Luft zu schnuppern. Es war toll, wieder hier zu sein, obwohl ich zugeben muss, als Tourist durch die Straßen zu laufen ist schon ein bisschen komisch. Natürlich gehörte zur Ankunft auch ein Begrüßungsschluck im 96. Stock des Hancock Towers dazu.

Eine tolle Woche liegt vor uns. Wir werden einen Geburtstag feiern, meine Gasteltern und ehemalige Kollegen besuchen und zusammen Chicago noch ein bisschen mehr erkunden.

Bis nächste Woche grüßen Euch

Anja und Patrice


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